Die Eröffnung der Weltausstellung wurde medial viel beachtet. Nur: was wurde eigentlich eröffnet? Die Weltausstellung war nur halbfertig und die ersten zwei Monate waren geprägt von negativen Schlagzeilen: Börsenkrach (8. Mai) und erste Cholerafälle (26. Juni). Dazu kam das schlechte Wetter. Die Zahl der Besucher:innen blieb hinter den Erwartungen zurück.
Wetter und Ausstellungsbesuche
Hatten die günstigen Wetterverhältnisse anfangs Jahr – der «dem Kalender vorangeeilt[e]» Frühling, das Ausbleiben der immer wiederkehrenden Überschwemmungen des Praters – die Bauarbeiten begünstigt (NZZ 14.3.1873:1), so dass man sich überzeugt zeigte, «dass den Arbeiten in das Stadium der Vollendung nichts im Wege steht», ja dass es «die Fortschritte der Bauten derart begünstigte, dass viele Bauarbeiten vor Ablauf des für ihre Vollendung in Aussicht genommenen Termins beendigt werden konnten» (NZZ 22.3.1873:1), so negativ wirkte sich der im Mai folgende Dauerregen aus.
«Jupiter pluvius» verdarb schon am 1. Mai die Festfreude, als die kaiserlichen und königlichen Hoheiten die Eröffnung der Weltausstellung – «dieses wahre Völker- und Friedensfest, eine wahrhaftige Haupt- und ‘Staatsaktion’» – feierten, zusammen mit 10000 geladenen oder zahlenden Gästen – ein Eintritt kostete 25 Gulden, ein Preis, den «die Herren Börsianer, welche notwendig werden dabei sein wollen», sich (noch) leisten konnten. (alles NZZ 6.5.1873:1, 3.5.1873:3, 18.4.1873:3). Der Dauerregen hatte auch negative Folgen für die Aussteller. Die Rotunde war offensichtlich nicht dicht, «[d]ie Jutetapeten […] zeigen in Folge des durch die Dachhaut eingedrungenen Regenwassers Flecken und Streifen» (WWAZ 6.5.1873:4) und schon früh beklagte sich «der schlechtsituirte Aussteller der prächtigen Orgel aus Jägerndorf, Rieger, der alle Hände voll zu thun hat, um das aufdringliche Element von dem theuren Werk abzuhalten» (WWAZ 15.5.1873:4).
Der Regen machte auch das Ausstellungsgelände fast unpassierbar. «Die Haupt-Allee ist abermals in ein für Fussgeher nicht zu passirendes Kothmeer verwandelt» (WWAZ 10.5.1873:3) Wenige Tage später hiess es: «Der anhaltende Regen der letzten Tage hat die Wege im Ausstellungsraume und in dessen nächster Umgebung fast grundlos gemacht, so dass die Passanten factisch bis über die Knöchel im Kothe waten mussten.» Die Generaldirektion wandte sich deshalb an die Stadt Wien «mit der Bitte […], eine grössere Anzahl von Überschwemmungstreppen aus dem städtischen Material-Depot beizustellen […], d.i. Breter, welche den Wegen entlang gelegt werden», welcher die Stadt entsprach (WWAZ 15.5.1873:3).
War das schlechte Wetter ein Grund für die anfänglich bescheidenen Besucherzahlen, so zeigte sich trotzdem und auch ungeachtet der negativen Schlagzeilen von Börsenkrach und Cholera-Epidemie in den Monaten Mai und Juni ein langsam aufwärtszeigender Trend bei den Besuchszahlen.

Die Zahlen zu den Ausstellungsbesuchen sind allerdings nicht einfach zu interpretieren. Einerseits ist deren Publikation in der Wiener Weltausstellungs-Zeitung lückenhaft. Andererseits gibt es unterschiedliche Kategorien von Besucher:innen: Solche mit Tageskarten, andere mit Saison- oder Wochenkarten – zu ermässigten Preisen –, weitere mit Frei-, Dienst- und Arbeiterkarten. Die Zahlen in der Grafik beziehen sich auf die Gesamtzahlen. Für den Vergleich mit den vorangegangenen Weltausstellungen in London und Paris verwendete die Wiener Weltausstellungs-Zeitung dagegen nur die Zahlen der zahlenden Besucher:innen, weil «in den ersten Tagen die Tourniquets noch nicht fertig [!] waren, so dass Arbeiter, Aussteller und andere mit Legitimationskarten versehenen Personen nicht gezählt, sondern nur abgeschätzt wurden» (WWAZ 19.6.1873:2); da wo detaillierte Zahlen vorliegen, sieht man, dass die zahlenden Besucher:innen nur rund zwei Drittel aller Besucher:innen ausmachten.
«In den ersten zehn Tagen betrug die Besucherzahl in Paris 102564, in London 111560, in Wien 68910; in den ersten zwanzig Tagen in Paris 164321, in London 169000, in Wien 148710, im ersten Monat in Paris 245832, in London 239987, in Wien (mit Ausnahme der Besucher vom 30. und 31. Mai) 205712. Wenn wir annehmen, dass in den letzten zwei Tagen des Monats die Besucherzahl nur die Durchschnittszahl erreicht, so wird diese Ziffer für Wien die Zahl der Besucher der Pariser Ausstellung im Monat Mait 1867 und die von London im Mai 1862 nahezu erreichen.» (WWAZ 1.6.1873:2) Gemäss den Angaben in der Wiener Weltausstellungs-Zeitung vom 1.6. und vom 4.6. erreichten die Zahlen der zahlenden Besucher:innen an den letzten zwei Mai Tagen insgesamt noch 17265 – die Zahlen von Paris und London wurden also trotz leicht positiven Trends um 8-10% verfehlt.



Eintrittskarte für die Eröffnungsfeier, Eintrittskarte Nr. 9034, lautend auf den Namen Morgan (Mitte), Wien Museum, online-Sammlung (28455/1, 97059/75) und Legitimationskarte, Technisches Museum Wien (BPA-007301) (rechts)
Komplizierte Eingangskontrolle
Die Ausstellung wurde am 2. Mai um 10 bis 18 Uhr für den allgemeinen Besuche geöffnet. Es gab sechs Eingänge:
«I. Westseite: Elisabeth Avenue;
II. Südseite: Hauptallee, Franz Josefs Avenue;
III. Südseite: Hauptalle, Roudeau;
V. Westseite: Westportal der Maschinenhalle;
VI. Westseite: Westportal der Industriehalle.
Der Eingang IV, Ausstellungs-Bahnhof, wird erst von Montag den 5. Mai angefangen eröffnet sein (WWAZ 2.5.1873:4)
In den letzten Tagen vor der Ausstellungseröffnung bereitete man sich ernsthaft auf den erwarteten grossen Ansturm vor. Es wurden täglich «Exercitien» durchgeführt und die «zahlreichen Cassiere und Controlore werden nämlich im Dienste an den Drehkreuzen (Tourniquets), durch welche der Einlaß der Besucher stattfinden wird, eingeübt. An jedem Drehkreuz, dessen Kasten zugleich als Casse dient, steht ein Cassier, welcher mit einer Hand das Geld nimmt und mit der anderen das Kreuz je eine Viertelumdrehung machen läßt, während ein Controlor die Queue des Publikums ordnet. So einfach und leicht die Sache zu sein scheint, so erfordert sie doch große Uebung und Umsicht und zu diesem Behufe werden förmliche dramatische Scenen aufgeführt und den sich übenden Cassieren alle möglichen fingirten Schwierigkeiten bereitet. Etwa zehn Personen passiren fortwährend das Drehkreuz, indem sie dann immer wieder um dasselbe herumgehen; bald arrangiren dieselben einen starken Andrang und der Controlor muß sie zurückhalten; bald zögert der Eine oder Andere zu lange am Drehkreuze und der Cassier muß ihn auffordern, sich zu beeilen etc. Ebenso ist es mit der Zahlung. Die Controlore fordern auf, das Geld bereitzuhalten und die Controlore müssen vor allem möglichen Betrügereien auf der Hut sein. Die Cassiere werden auf die Guldentage und auf die Fünfzigkreuzer-Tage eingeschult. Da werden ihnen denn die Guldenzettel bald zusammengelegt, bald eingebogen, bald mit abgerissenen Ecken u.s.w. überreicht und sie müssen das Geld rasch entweder prüfen oder zurückweisen. Die fünfzig Kreuzer werden in allen möglichen Combinationen von Zehn- und Zwanzigkreuzer-Stücken gezahlt. Der Eine gibt drei Zwanzigkreuzer-Stücke und will einen Zehner heraus — er wird zurückgewiesen; der Andere will zugleich für seine Frau zahlen, die etwas später kommt — er muß warten und zugleich mit seiner Frau eintreten; ein Dritter wirft rasch nur vier Zehnerstücke hin und will rasch passiren — der Cassier muß ihn zurückhalten, bevor das Tourniquet sich gedreht hat. Bei jedem Tourniquet können 15 Personen in der Minute und also 900 in der Stunde bequem passiren. Beim Hauptportal an der Prater-Allee werden 14 Tourniquets aufgestellt sein, daselbst also in einer Stunde zwischen 12000 und 13000 Personen eingelassen werden können» (WWAZ 27.4.1873:2).
Die Tourniquets waren am Anfang auch nicht den realen Besucherströmen entsprechend verteilt. So mussten «daher vom Rondeau, wo nach den vorliegenden Erfahrungen die bisherige Zahl von sechs Tourniquets zu groß ist, zwei abgezogen» und an der Elisabeth-Avenue neu aufgestellt zu werden (WWAZ 18.5.1873:6).
Unpraktisch war auch, dass an den einzelnen Eingängen Tourniquets für bestimmte Billett-Kategorien ausgeschildert waren, was bei den im Mai im Umlauf befindlichen 26 Billett-Kategorien, alle unterschiedlich in der Farbe und für einen je klar definierten Kreis von Berechtigten, höchste unpraktisch war und von den Controleurs jeweils «ein umfangreiches Studium» verlangte (WWAZ 10.5.1873:4).
Saisonkarten für die ganze Dauer der Ausstellung kosteten für Herren 100, für Damen 50 Gulden, wobei Damen nur in den Genuss einer solchen kommen konnten, wenn ein Herr sie kaufte, der selber schon über eine Ehren- oder Saisonkarte verfügte. Die Karten konnten von 10 bis 16 Uhr an der Praterstrasse 42 im Kartenausgabe-Bureau erstanden werden (WWAZ 2.5.1873:4)
Bundesrätliche Reisetipps
Der bundesrätliche Reisehinweis, da «voraussichtlich die Abonnementsbillets in die Ausstellung durch Photographien kontrolirt werden», sei es «nothwendig, daß jeder Subventionirte sich mit seiner Photographie im Visitenkartenformat versehe» (Regulativ für die vom Bunde und den Kantonen für den Besuch der Wiener Weltausstellung subventionirten Arbeiter. (Vom 5. März 1873.) Bundesblatt 1873 1 11, 15.03.1873, 425-428) erwies sich als überflüssig, anders als der Hinweis, dass «[m]it Rüksicht darauf, daß in Wien diesen ganzen Winter hindurch die Blattern [Pocken] geherrscht haben und gegenwärtig noch nicht erloschen sind, erlauben wir uns, Sie noch ganz besonders darauf aufmerksam zu machen, daß für diejenigen Besucher der Ausstellung, welche entweder die ächten Blattern nicht überstanden haben, oder innerhalb der lezten 5 Jahre nicht mit Erfolg geimpft worden sind, es ratsam ist, sich vorher revacciniren zu lassen» (Kreisschreiben des eidg. Departements des Innern an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend den Besuch der Wiener Weltausstellung durch subventionirte Arbeiter. (Vom 11. März 1873.), Bundesblatt 1873 1 11, 15.03.1873, 468-469).
Gesundheit und Bequemlichkeit
Auch für die Gesundheit der Besucher:innen auf dem Ausstellungsplatz wurde vorgesorgt und ein Sanitätsdienst eingerichtet: «Die Aufgabe des daselbst fungirenden ärztlichen Personales soll die erste Hilfeleistung, die Labung und den Transport der Patienten, ferner die Ueberwachung der öffentlichen Hygiene und der Desinfection umfassen, wogegen die eigentliche marktpolizeiliche Aufsicht den betreffenden Marktcommissären in erster Linie obliegen wird. Sanitätsstationen sollen fünf errichtet werden. Elf Aerzte sollen im Dienste abwechselnd von Früh 7 Uhr bis Abends nach Schluß der Ausstellung continuirlich in Präsenz sein. Sämmtliche Sanitätsstationen werden mit Rettunaskästen, kleinen Handapotheken, Labemitteln, Feldbetten und Tragbahren ausgestattet und ein Militär-Sanitätswagen für die Ueberführung Schwerverwundeter stets in Bereitschaft sein. In der Centralstation soll sogar eine förmliche kleine Ambulanz errichtet werden, insoferne als für Herren sowohl als für Damen je ein mit Betten ausgestattetes Zimmerchen den Hilfsbedürftigen eine Ruhestätte für so lange bieten wird, bis deren Erholung oder Transportfähigkeit eine Amovirung erlauben wird. Selbst für plötzliche Entbindungen soll durch die Anwesenheit einer Hebamme gesorgt werden.» Allerdings erscheint das eher eine Minimallösung zu sein, denn «[v]ergleicht man den ärztlichen Stab von elf Aerzten mit jenem bei der Pariser Weltausstellung im Jahre 1867, so erscheint er wohl sehr gering. In Paris waren nämlich nebst dem Chefarzt. Professor Gosselin, sieben ordinirende und achtundzwanzig Hilfsärzte m Verwendung. Dazu kommt, daß das Areal der Wiener Ausstellung ein viel größeres ist und auch die Besucherzahl eine viel bedeutendere sein wird.» (WWAZ 9.4.1873:3)
Weitere Vorkehrungen betrafen das Aufstellen von Sitzgelegenheiten oder den Betrieb von Restaurationen, deren (hohen) Preise viel zu diskutieren gaben.
Die unfertige Ausstellung
Die Weltausstellung in Wien war im Vergleich mit den zwei vorangehenden Ausstellungen in London und Paris zwar die weitläufigste (233 ha statt 9 bzw. 67 ha Ausstellungsfläche) und mit der Teilnahme von 35 souveränen Staaten verbuchte Wien ebenfalls einen Rekord, was es den Besucher:innen ermöglichte, «gleichsam eine Reise um die Welt im Zeitraffer zu unternehmen» (Pemsel 44, 54). Diese Universalität war aber – wie schon in Paris – nicht nur Programm, sondern auch praktische Herausforderung (vgl. Barth 9).
Wie konnten alle Ausstellungsobjekte rechtzeitig nach Wien transportiert werden? Das gelang offensichtlich nicht. Die Berichte über die Eröffnung sind hier klar: es war erst wenig fertig eingerichtet. Die logistischen Anforderungen waren auch enorm, um alle grossen und kleinen Ausstellungsgegenstände nach Wien zu bringen.
Das konkrete Organisation wurde schon anfangs 1872 im Allgemeine[n] Reglement für die Betheiligung der österr.-ungar. Monarchie bzw. im Allgemeine[n] Reglement für die Betheiligung des Auslandes definiert und in einer gleichentags publizierten Orientierung für die Herren Aussteller noch handlich zusammengefasst: Die Ausstellungsobjekte konnten – oder sollten – vom 1. Februar bis 15. April auf das Ausstellungsgelände gebracht und aufgestellt werden, die Tage vom 26. bis 29. April waren für die «Reinigung der Localitäten und Remisen der gesammten Ausstellung bestimmt» (WWAZ 14.2.1872:3).


Modell der Einfahrt in den Tunnel der Mont-Cenis-Bahn, Wien Museum online Sammlung (173701/147, 42311/25)
Die praktische Umsetzung gestaltete sich aber nicht nach Plan, auch wenn bereits ein gut nutzbares Eisenbahnnetz mit teilweise neuen Verbindungslinien (Mont Cenis: neuer Tunnel, eröffnet 1871, als Ausstellungsobjekt an der Weltausstellung in Wien zu sehen) bestand und für längere Distanzen, sei es aus der Türkei, sei es von Übersee, der Wasserweg als beste Verbindung diente – dank des neue eröffneten Suezkanals (1869) mit ebenfalls deutlich verkürzten Routen. Alles brauchte viel Zeit, vieles wurde zu spät in Angriff genommen.
Informationen zu den Transporten der Ausstellungsobjekte sind zwar ebenfalls regelmässig in Zeitungen zu finden, weil die Weltausstellung und ihre Entstehung unter medialer Dauerbeobachtung standen. Aber die Informationen sind widersprüchlich und wirken nicht immer vertrauenswürdig. Die Anlieferung der amerikanischen Ausstellungs-Objekte mag als Beispiel gelten: Die New York Times vermeldet, dass die Schiffe Guard und Supply am 3.3.1873 [nächster Montag] verlassen würden (NYT 1.3.1873:2). Die Zeitung berichtet weiter, in leichter Variation ihrer ersten Ankündigung, die Ankunft der Supply in Gibraltar sei für den 29.3. angekündigt, nach 24tägiger Atlantiküberquerung, die Guard werde nach einer 22tägigen Reise ebenfalls bald ankommen und beide Schiffe sollten am 5.4. [nächster Samstag] in Triest anlegen (NYT 2.4.1873:1). Gemäss Logbuch segelten die Guard allerdings erst am 23.3. los und kam erst am 4.5. in Gibraltar an, die Supply startete am 6. Mai und kam sogar erst am 30.5. in Gibraltar an; die Weiterfahrt nach Triest scheint dann nicht notiert worden zu sein (NARA, 2.6.2023).
Damit war klar, die amerikanischen Ausstellungsobjekte konnten nicht rechtzeitig in Wien aufgestellt werden. Entsprechend hiess es deshalb auch: «All but the American Department of the Vienna Exhibition Filled – Indignant Exhibitors. Vienna, May 5. – Rapid progress has been made in the arrangement of the interior of the exhibition building since the opening. All the departments are filled with goods except that of the United States, which is still empty. Great indignation is felt by the American exhibitors at this state of things» (NYT 6.5.1873:1). Erst am 6. Juni konnte die NYT verkünden: «The American department of the Vienna Exhibition Open» (NYT 6.6.1873:1).
Die Verschiffung der Ausstellungsobjekte aus Fernost musste noch früher beginnen. Ein Schiff sollte bereits Mitte Januar Japan Richtung Triest verlassen (WWAZ 11.1.1873:4). Auch österreichische Schiffe, beispielsweise die Corvette Fasana, brachten Ausstellungsgegenstände aus Asien – China, Siam, Burma – nach Triest (WWAZ 12.2.1873:4).
Transportprobleme konnte allerdings auch nach der langen Schiffsreise noch auftreten, so etwas bei einem Objekt, dem «Riesenmonument der Japanesen», einer riesigen Bronzestatue: «Das Monument repräsentirt den großen Daibuts in Japan, […] Damit man es zur Wiener Ausstellung bringen konnte, wurde es in Stücke zerlegt und zu Schiffe nach Triest gebracht. Allein der Transport von Triest nach Wien stieß auf Schwierigkeiten. Es zeigte sich nämlich, daß die Stücke eine so enorme Größe hatten, daß die Südbahn sie selbst nicht auf ihre offenen Lowries laden konnte, denn sie wären durch keinen der Tunnels durchgegangen. Es blieb somit nichts übrig, als sie per Achse von Triest nach Wien zu bringen und nach wochenlanger Fahrt ist dies endlich gelungen» (WWAZ 20.5.1873:5).
Eine Ahnung der Verspätung geben die in der Wiener Weltausstellungs-Zeitung wiederholt abgedruckten Angaben zur «Zufuhr der Ausstellungs-Objecte»:
Zeitraum | Zentner | Waggons | Waggons / Tag |
10.-23-3.1873 | 62578 | 651 | 50 |
24.-31.3.1873 | 60777 | 675 | 96 |
7.-13.4.1873 | 79403 | 1156 | 193 |
28.4.-4.5.1873 | 63435 | 907 | 151 |
5.-18.5.1873 | 83053 | 1206 | 93 |
19.-25.5.1873 | 14779 | 217 | 36 |
26.5.-1.6.1873 | 7398 | 158 | 26 |
Nach Mitte Mai nehmen die Neuzulieferungen ab aber bis anfangs Juni wurden immer noch beträchtliche Mengen an Objekten angeliefert.



Officielle General-Cataloge, erste und zweite Auflage, Schweizerischer Katalog
Sichtbarer Ausdruck des Unfertigen war der Officielle General-Katalog, welcher der «Protector der Ausstellung, Herr Erzherzog Carl Ludwig» an der Eröffnung «Sr. Majestät dem Kaiser überreichte» (WWAZ 7.5.1873:3); die «zweite vermehrte oder — besser gesagt— die erste vollständige Auflage des officiellen General-Katalogs der Weltausstellung» sollte erst anfangs August gedruckt vorliegen, allerdings dann doppelt so dick, wie der «Rumpf-Katalog» vom 1. Mai.(WWAZ 27.7.1873:5) Die Einträge für die Schweiz blieben sich dabei allerdings fast gleich und umfassten 19, dann – unter Ergänzung durch die Angaben zu den Additionellen Ausstellungen – 22 Seiten. Dabei blieben beispielsweise die 55 Einträge zur Gruppe 26, Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesen, die wir später noch im Detail untersuchen werden, unverändert.
Die Wiener Weltausstellungs-Zeitung vermeldet am 21.5. in einem Satz, dass der Schweizer «Specialkatalog» an diesem Tag erschienen sei. Schon vorgängig ist er als «elegante[s] […], recht hübsches Ausstellungsobject» gelobt worden mit der «schöne[n] ‘Helvetia’, die, hoch auf den Schweizer Bergen thronend und mit einer Hand die Augen vor dem Glanze der Sonne schirmend, in die Ferne schaut». Auf die «sehr instructive geographisch-statistische Beschreibung der Schweiz» folgen die nach den Ausstellungsgruppen geordneten 979 Aussteller sowie vier Karten speziell zur Lokalisierung der Schweizer Ausstellungsabteilungen (WWAZ 13. und 30. 5.1873:4).
Ungeachtet all dieser Probleme und Verzögerungen hielt die Allgemeine Illustrirte Weltausstellungs-Zeitung Wien für das Zentrum der Welt und sah in der Weltausstellung nicht nur den Agon, der nach Jacob Burckhardt und Friedrich Nietzsche die griechische Geschichte geprägt hatte und in vielen Beschreibungen im und des 19. Jahrhundert(s) eine prägende Perspektive darstellte, sondern auch ein heilsgeschichtliches Ereignis: «Wien ist heute das Mekka, aus welchem in die Heimat rückkehrend Jedermann sich selbstbewusst Hadsi nennen darf; ist das ersehnte Jerusalem, nach welchem die Gläubigen der Civilisation vertrauungsvoll wallfahrten. Als Ziel- und Sammelpunkt der Völker beider Hemisphären dürfte Wien für die Cultur-Geschichte der Zukunft der bedeuungsvollste Name werden. Die Tausende und abermal Tausende von Ausstellungs-Objecten, sie predigen zumeist das siegreiche Kreuz des Erlösers der Menschheit, das der Civilisation.» (AIWZ 11.5.1873:222) Auch die Wiener Weltaustellungs-Zeitung sah im Unfertigen weniger ein Problem, sondern deutete dies positiv verbunden mit einem euphemistischen Hinweise, «wer Alles sehen [wolle], [werde] besser thun, erst im Juni zu kommen; aber ist die herrliche Frühlingsluft nicht das Versäumen einiger wollenen Jacken und ledernen Secretäre, gläserner Schüreisen, ja selbst sehr überflüssiger Necessaires werth?» (WWAZ 2.5.1873:5)
Quellen:
WWAZ: Wiener Weltausstellungszeitung (ANNO ÖNB) mit Datum und Seite.
AIWZ: Allgemeine Illustrirte Weltausstellungs-Zeitung (Wienbibliothek im Rathaus: Bände 1 und 3-5, ÖNB digital, Band 2) mit Datum und Seite.
NYT: New York Times Archives.
NZZ: https://e-newspaperarchives.ch (alternativ https://zeitungsarchiv.nzz.ch/archive)
Barth: Volker Barth, Mensch versus Welt. Die Pariser Weltausstellung von 1867, Darmstadt 2007.
Pemsel: Jutta Pemsel, Die Wiener Weltausstellung 1873: das gründerzeitliche Wien am Wendepunkt, Wien, Köln 1989.
Alle Links sind im Juli 2023 geprüft worden.
NARA: Die Auskünfte zur Reise der USS Guard und USS Supply beruhen auf deren Logbucheinträgen (Record group 24 Bureau of Naval Personnel, entry 118 Logbooks of U.S. Ships and Stations, 1801-1940, freundlicherweise mitgeteilt von Kim Y. McKeithan, Washington).
