Mit diesen Worten eröffnete am 1. Mai vor 150 Jahren – «unter dem Donner der Geschütze und dem Schmettern der Fanfaren» – Kaiser Franz Joseph im Wiener Prater die Weltausstellung, die «in der Culturgeschichte der Menschheit mit goldenen Lettern glänzen» werde.
Der Auftritt der Schweiz war ein Erfolg, nicht zuletzt da ihre «Abteilung im Industriepalast die einzige [war], die fast ganz fertig» aufgebaut war, was «[i]hre Majestäten, der Kaiser und die Kaiserin, welche mit ihrem Gefolge die ganze schweizerische Galerie durchschritten» auch «am Abend beim Galadiner, zu welchem der schweizerische Generalkommissar, Herr Oberst Rieter und dessen Adjunkt, Herr Oberstlieutenant Brun geladen waren», explizit anerkannten (10.5.1873).
Die Vorbereitungszeit für diese Ausstellung war aus heutiger Sicht kurz. Die Einladung ihrer k.u.k. apostolischen Majestät zur Weltausstellung war dem Bundesrat knapp drei Jahre vor der Ausstellungseröffnung, am 17.Juni 1870, vom österreichischen Gesandten übergeben worden. Der Bundesrat verabschiedete seine Botschaft, gestützt auf die Vorschläge einer gesamtschweizerischen Kommission unter Vorsitz von Bundesrat Schenk, aber erst am 26. Juni 1872 und die Bundesversammlung entschied am 19. Juli erstmals über einen Kredit von 400’000 Franken. Der Bundesrat begründete seine Zurückhaltung mit der Belastung der Politik durch die Verfassungsrevision und mit einer gewissen Ausstellungsmüdigkeit – «Die Lust, internationale Ausstellungen zu beschicken, scheint in demselben Grade bei unsern Industriellen abzunehmen, als die Zahl derselben sich in ungeahnter Weise vermehrt». Dazu kamen Befürchtungen, wichtige europäische Staaten wie England oder Frankreich – nach seiner Niederlage im Krieg gegen Deutschland – würden nicht teilnehmen. Praktisch hatte sich der Bundesrat trotzdem schon vorgängig Ausstellungsplatz in Wien gesichert und die Kantone informiert, welche ihrerseits Ausstellungskommissionen eingesetzt hatten. Nach dem positiven Entscheid der Bundesversammlung konnte der Bundesrat Oberst Heinrich Rieter aus Winterthur, Textil- und Maschinenindustrieller und Ständerat, nun offiziell zum Generalkommissar ernennen; er sollte die konkrete Umsetzung vorantreiben.
Am 8.8.1872 stellte die NZZ fest, die Weltausstellung in Wien werde mehr darstellen als eine blosse «Kopie desjenigen, was London und Paris geleistet haben»; sie wolle «nicht nur ein Bild der gegenwärtigen Leistungen auf allen Gebieten der Industrie, Technik, Kunst u.s.w. geben, sondern uns auch rein geistige Arbeiten liefern, uns zeigen, wie die Bildung sich stets fortentwickelt». Die Zeitung kündete an, diesem Ereignis mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Diese intensivierte Berichterstattung drehte sich um drei Aspekte: Erstens ging es um die Form der Schweizer Präsenz. Wie wollte sich die Schweiz der Welt präsentieren? Die Hauptfrage war, ob es eine «individuelle Vertretung» sein sollte, «bei welcher es weniger auf Vollständigkeit als auf die Repräsentation einzelner bedeutender Leistungen, insbesondere der bei der Ausstellung interessierten Produktionszweige ankommen würde» oder ob eine «Kollektivausstellung» wie 1867 in Paris angemessen sei, welche «ein vollständiges Bild der schweizerischen Produktion» liefern würde. Der Entscheid der schweizerischen Ausstellungskommission fiel zugunsten der Kollektivausstellung aus, was dann sowohl Bundesrat als auch Bundesversammlung bestätigten (9.8.1872). Neben diesen grossen Fragen ging es vorerst aber auch um viele praktische Details, welche der Ausstellungskommissar und die Bundesstellen zu lösen hatten: eine mögliche Reduktion der Transportkosten, einen Erlass von Zollgebühren, Versicherungsfragen und den Schutz des geistigen Eigentums. Für kleinere Gewerbebetriebe ging es auch um eine Vorfinanzierung der Teilnahme durch den Bund, denn es liess «sich nicht leugnen, dass bei allen bisherigen Ausstellungen das Gross-Gewerbe, vermöge der ihm zu Gebote stehenden reichern Mittel, das eigentliche Handwerk in den Hintergrund gedrängt hat[te]» (17.4.1872).
Zweitens interessierten die Vorbereitungsarbeiten für die Ausstellung in anderen europäischen Ländern sowie in den USA, der Türkei, Persien, Indien, China oder Japan. Gerade die Möglichkeit, neue wirtschaftliche Beziehungen knüpfen zu können, war attraktiv, hing aber von einer breiten Teilnahme ab. «Wir lernen also nicht nur den Orient, sondern der Orient, dieses ganz kolossale, fast unerschöpfliche Absatzgebiet, lernt uns kennen, und welche Folgen dies für unsern Handel und die Entwicklung unserer Industrie haben kann, liegt auf der Hand», schrieb die NZZ (9.8.1872).
Drittens: Auf Anregung des Grütlivereins wurde geplant, Ausstellungsbesuche von Arbeitern und Handwerkern zu subventionieren – im Kredit des Bundes waren dafür 60000 Franken eingestellt, um 300 Besuche mit je 200 Franken zu finanzieren. Lehrern wurde nachträglich auf Betreiben der Kantone «im Hinblick auf die mit der Wiener Allgemeinen Ausstellung gleichzeitig stattfindenden Schulausstellung» dann auch eine vergleichbare Subvention zugesprochen und der entsprechende Kredit erhöht (25.2.1873 und am 15.3.1873 in der SLZ). Diese 14-tägigen Ausstellungsreisen von Arbeitern, Handwerkern und Lehrern wurden militärisch geplant: Rund zwanzig-stündige Reise von Romanshorn über München nach Wien und dort Logis in einem Ulmer-Wohnschiff im Donaudurchstichkanal, unweit des Ausstellungsgeländes und von günstigen Restaurationen. Dann 10 Tage Ausstellungsbesuch nach fixem Plan: Frühstück um 7 Uhr, Besuch der Berufsausstellungen «von 8-12 Uhr in Begleit[ung] kundiger Wiener Berufsgenossen […], dann ein paar Stunden für Mittagsmahl und Notieren des Gesehenen», am Nachmittag Besuch «der Ausstellung im Allgemeinen» und dann «nach gemeinsamem Abendessen die Abendstunden bis 11 Uhr für die persönlichen Erholungen. Um 11 Uhr Lichterlöschen». Dazu kommen 2 Tage für die Stadtbesichtigung und die Möglichkeit, auf der Rückreise individuell noch Zeit in München zu verbringen (13.3.1873).
Nach der vom Bureau des expositions in Paris (BIE), gegründet 1928, nachträglich definierten Klassifizierung ist die Ausstellung in Wien die fünfte Weltausstellung i.e.S. Die zeitgenössische Terminologie war damals allerdings unscharf. Weltausstellung, Internationale Industrieausstellung, Allgemeine Ausstellung waren geläufige Begriffe und viele Ausstellungen wurden damals Weltausstellungen genannt, die heute nicht mehr als solche gezählt werden. Von 1851 bis zum Ersten Weltkrieg fanden insgesamt 19 Weltausstellungen nach heutigem Verständnis statt, allein fünf davon in Paris. Nach dem Zweiten Weltkrieg akzeptierte das BIE weitere 12 Vorschläge für Weltausstellungen. In der Schweiz haben sich besonders diejenige in Sevilla (1992) eingeprägt – ihr selbstironisches Motto «La suisse n’existe pas» sorgte für anhaltenden Ärger – sowie diejenige in Hannover (2000) mit Peter Zumthors Holzpavillon «Klangkörper», welcher anschliessend teilweise in der Schweizer Expo 2002 rezykliert worden ist. Auch die Weltausstellung im nahen Mailand mit vier Silotürmen für Salz, Kaffee, Wasser und Apfelringli gab zu reden, ebenso wie der unpassende Versuch des Sponsorings des Schweizer Pavillons durch einen grossen Tabakkonzern in Dubai (2021).
In der 172jährigen Geschichte der Weltausstellungen verbinden sich, wie die bundesrätlichen Botschaften von 1998 und 2012 exemplarisch zeigen, Kontinuitäten und Veränderungen: Die neueren Weltausstellungen stehen für eine «Tradition, die keineswegs am Verschwinden ist». Die Weltausstellungen als «beliebte Begegnungsorte, auch im Internetzeitalter» sind heute thematisch fokussiert, nicht mehr enzyklopädische Darstellungen des materiellen und immateriellen Standes der Entwicklung. Sie sind immer noch Arenen für den Wettbewerb der Nationen und «ein wirkungsvolles Informationsmittel mit hoher Medienpräsenz». Am Anfang formten hauptsächlich Wirtschaft und Kunst das Schweizbild, 1873 kam wesentlich das Bildungswesen dazu. Heute sind die Ausstellungen «aus politischer, wirtschaftlicher, touristischer, wissenschaftlicher und kultureller Sicht von grosser Bedeutung», unsere Innovationskraft und Kreativität werden betont. Es sollen aber weiterhin Handelsbeziehungen gepflegt, Märkte erschlossen, aber auch Klischees – die Schweiz als Finanzplatz – korrigiert werden. Gestalterisch steht nicht mehr die Informationsvermittlung im Vordergrund, sondern «ein eindrückliches sinnliches Erlebnis […], Überraschung, unerwartete optische und akustische Eindrücke» sollen vermittelt werden. Es bleibt das Risiko der informationellen Überforderung, können die Besucher:innen doch «nicht alle Informationen und Nachrichten […] verarbeiten».
Kommunikation und Logistik sind einfacher geworden, die politische Vorbereitung aber dauert heute länger, die bundesrätlichen Botschaften als Startschuss für die konkrete Realisierung erscheinen im Mittel rund 1000 Tage vor Ausstellungsbeginn – 1873 musste 300 Tage für die Realisierung genügen – und ihnen geht meist eine mehrjährige Vorbereitungsphase voraus.
Weltausstellungen boten Anschauung. Ein Ausstellungsbesuch 1873 war ein Moment des Lernens – auch wenn das Vergnügen nicht ausgeschlossen war. Die Feedbacks der Ausstellungsbesuche 1873 sind umfangreich und hatten einigen, z.T. bis heute sichtbaren Impact in der Schweiz, gerade im Bildungsbereich. Die oben zitierte Schulausstellung war eben nicht eine Parallelausstellung, sondern als Gruppe 26 – Das Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesen – integraler Bestandteil der universalistisch konzipierten Weltausstellung.
Quellen: Die Datumsangaben im Text verweisen auf NZZ-Ausgaben (e-newspaperarchive.ch), andere Quellen sind direkt angegeben.
